Mittwoch, 13. Januar 2021

Die letzten Kinder von Schewenborn von Gudrun Pausewang


 Zum Inhalt:

Wir fuhren auf der Kasseler Autobahn bis Alsfeld, dann bogen wir in den Vogelsberg ab. Es war ein Julitag, wie man ihn sich nur wünschen kann. Mein Vater fing an zu singen, und wir sangen mit. Meine Mutter übernahm die zweite Stimme. Als wir durch Lanthen fuhren, war noch alles wie immer.
Aber im Wald zwischen Lanthen und Wietig, gerade in der Kurve am Kaldener Feld, blitzte es plötzlich so grell auf, dass wir die Augen zupressen mussten. Meine Mutter stieß einen Schrei aus, und mein Vater trat so fest auf die Bremse, dass die Reifen quietschten. Der Wagen geriet ins Schleudern und blieb quer zur Fahrbahn stehen. Wir wurden in den Gurten hin- und hergerissen.
Sobald der Wagen stand, sahen wir am Himmel, hinter den Wipfeln, ein blendendes Licht, weiß und schrecklich, wie das Licht eines riesigen Schweißbrenners oder eines Blitzes, der nicht vergeht. Ich schaute nur einen Augenblick hinein. Trotzdem war ich danach eine ganze Weile wie blind.


Cover:

Das neue Cover dieses Büchleins gefällt mir sehr gut. Wir sehen hier eine Person, welche eine Kapuze über den Kopf gezogen hat von hinten und vor ihr sieht man bedrohlich einen Atompilz von einer Explosion aufsteigen. Das verdeutlicht schon, worum es hier geht und ist irgendwie auch scheinbar das Steckenpferd der Autorin, denn bereits bei „Die Wolke“ wurde eine Atomkatastrophe thematisiert. Ehrlicher Weise fand ich das damalige erste Cover mit seinem Gelben Grund und den vielen Gesichtern darauf irgendwie sehr verstörend, dieses Cover hier gefällt mir um Welten besser.


Eigener Eindruck:

Es ist 1984. Der Konflikt zwischen Ost und West scheint sich immer mehr zuzuspitzen und während die Mutter noch überlegt, ob es denn gut sei in den Urlaub zu den Großeltern zu fahren, meint der Vater, dass die Politik sich nicht innerhalb von 14 Tagen so krass verändern würde. Dass die Familie ihre Wohnung und ihre Haustiere, gar ihre Nachbarschaft nie wieder sehen wird, das vermutet zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Als die fünfköpfige Familie, bestehend aus Mutter und Vater sowie der großen Schwester Judith, dem Ich-Erzähler und der kleinen Kerstin auf den Weg macht, um die Großeltern in Schewenborn zu besuchen, müssen sie mit ansehen und mitten auf der Straße erleben, wie eine Atombombe explodiert. Aus Sorge um die Großeltern fahren sie weiter nach Schewenborn, der Detonation entgegen und müssen schon zu Beginn ihrer Reise mit vielen Verletzten und Toten sowie der Verwüstung klar kommen. Angekommen am Ziel, müssen sie feststellen, dass die Großeltern nicht da sind und die Mutter macht sich auf die Suche nach ihnen, während immer mehr Verletzte ihren Weg aus der Stadt aufs Dorf suchen. Für den noch kindlichen Ich-Erzähler beginnt eine schreckliche Zeit. Eine Zeit, in der die Menschen wie die Fliegen sterben, ein Leben nichts mehr wert ist und sich jeder selbst der Nächste ist. Es gilt die Strahlenkrankheit zu akzeptieren, immer wieder von geliebten Menschen Abschied zu nehmen und dem Grauen jeden Tag ins Auge zu blicken, sei es durch Hungersnot oder Medikamentenmangel….


Das Buch „Die letzten Kinder von Schewenborn“ von Gudrun Pausewang wurde mit einem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und ist wahrscheinlich die Schulpflichtlektüre schlechthin – wenn man nicht „Die Wolke“ aus der Feder der gleichen Autorin lesen musste. Es behandelt die Thematik eines möglichen Atomkriegs und dessen Folgen für die Menschen, besonders vor dem Hintergrund des damaligen Konflikts zwischen den Ost- und West-Mächten, welche aber heute noch auf jede andere Konfliktsituation gelegt werden kann. Dieses Szenario zu lesen ist durchaus interessant und warnt den Leser eindeutig durch nicht zu rar angesiedelte Schockmomente. Hätte ich dieses Buch damals in der Schule lesen müssen, wäre ich wohl regelrecht traumatisiert gewesen. Der Ich-Erzähler muss immer wieder mit Verlusten in der Familie klar kommen, er muss sogar mit ansehen, wie der Vater sein neu geborenes Geschwisterchen umbringt, da sie nicht wissen, wie sie es sonst durchbringen sollen. Er muss miterleben, wie tote Familienmitglieder ihrer Sachen fast beraubt werden und wie Menschen sich gegenseitig umbringen, um etwas zu Essen zu haben. Und das sind nur einige Beispiele, mit denen das Buch aufwartet. Einige werden das Buch sicher richtig schlecht finden, weil es so schonungslos ist, einige weil es Pflichtlektüre in der Schule war. Einige werden das Buch lieben, wegen seines mahnenden Charakters. Ich bin einerseits fasziniert, einerseits regelrecht abgestoßen. Ich glaube, für dieses Buch kann man kaum eine richtige Meinung haben und doch finde ich, dass man es einmal gelesen haben sollte.


Fazit:

Ein Buch, welches immer und immer wieder nachdenklich macht und den Politikern der Welt eigentlich als Pflichtlektüre vorgesetzt werden sollte, anstatt es jungen Schülern vorzulegen und so vielleicht das eine oder andere Trauma zu verpassen. Das Buch mag zeitlos sein und verfehlt seinen Zweck, nämlich, dass man sich noch lange damit beschäftigt, nicht. Jedoch finde ich, dass man dieses Buch nicht als Jugendliteratur herausgeben sollte. Es ist derb und brutal. Und doch sollte man es einmal im Leben gelesen haben.


Charaktere: 4/5

Emotionen: 5/5

Spannung: 3/5

Idee: 5/5

Logik: 4/5


Gesamt: 4 von 5 Sterne


Daten:

  • Herausgeber : Ravensburger Verlag GmbH (1. Februar 1997)
  • Sprache: : Deutsch
  • Taschenbuch : 189 Seiten
  • ISBN-10 : 3473580074
  • ISBN-13 : 978-3473580071
  • Lesealter : 12 Jahre und älter
  • Originaltitel : Die letzten Kinder von Schewenborn ...
  • Abmessungen : 12.7 x 1.91 x 17.78 cm

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