Freitag, 23. Dezember 2022

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey! von Sophie Seeberg

 Zum Inhalt:
Sophie Seeberg kriegt es hautnah mit, das Leben, denn die Psychologin begutachtet Familien fürs Gericht. Sie erlebt dabei schockierende und traurige, aber auch komische und skurrile Geschichten. Wenn zum Beispiel der Vater nicht zum Termin erscheint, weil er betrunken auf der Straße eingeschlafen ist – neben dem Bollerwagen voller Diebesgut. Oder wenn die Mutter ihren erwachsenen Sohn behandelt, als wäre er ein Kleinkind. Seeberg zeigt uns den ganz normalen Familienwahnsinn und behält dabei immer einen unnachahmlichen Sinn für Humor.


Es gibt sie überall. Familien die Hilfe brauchen. Doch in welcher Hinsicht sich die Vielfältigkeit der benötigten Hilfe staffeln kann, das ist den meisten "normalen Menschen" einfach nicht klar. Sophie Seeberg, eine psychologische Familiengutachterin, nimmt uns mit in den Familienwahnsinn Deutschlands. Sie erzählt traurige, aber auch humorvolle Geschichten. Sie berichtet von Familien und Fällen die ans Herz gehen oder einfach nur den Kopf schütteln lassen. Es sind Geschichten aus dem Herzen Deutschlands, die den Leser zeitweise sogar an der deutschen Gesellschaft zweifeln lässt. Es sind Geschichten die zu Tränen rühren. Und es sind Geschichten, über die man sich auch gern einmal schlapp lachen kann.


Ich habe das Buch zufällig im Regal entdeckt und dachte mir, dass der Titel recht vielversprechend ist. Erwartet habe ich humorvolle, sarkastische und ironische Geschichten rund um die typischen "Justins, Kevins und Chantalle´s". Bekommen habe ich auch solche Geschichten. Aber diese aus dem Blick von Frau Seeberger, aus Sicht der Kinder und aus Sicht der Familien. Es waren Fälle dabei, da hätte ich vor Wut das Buch am liebsten an die Wand geschmissen - weil die Dummheit der Protagonisten einfach unübertrefflich war, dann waren wieder welche dabei, die waren so spannend, dass man das Buch gar nicht mehr weglegen wollte. Gleich zu Beginn weist die Autorin darauf hin, dass es sich bei den Geschichten um wahre Begebenheiten handelt und dass man für die eine oder andere Story wirklich ein dickes Fell braucht. Und ja, das braucht man auch!


Wirklich betroffen gemacht hat mich z.B. die Geschichte eines kleinen Mädchens, welches mit seinem depressiven Vater und der asozialen Mutter in einem Obdachlosenheim wohnte und gerade einmal vier Jahre alt war. Inmitten von Müll musste die kleine aufwachsen, hatte nichts zum spielen und musste seinen halben, verschmutzten Teddybären vor der Mutter verstecken. Dass es solche Zustände gibt macht traurig. Ich war richtig froh, als ich gelesen habe, wie die Geschichte ausgegangen ist.


Dann war da noch der "Mischael", der das alles alleine konnte. Konnte er mit seinen 42 Jahren wahrscheinlich nicht und seine Mutter hat zu Beginn nicht sonderlich dazu beigetragen, dass er seine Kinder zu sich holen konnte. Auch da war ich richtig froh, als ich gelesen habe, wie die Frau Seeberger mit ihren Kollegen eine gute Lösung für den "Mischael" und seine beiden Kinder gefunden hat.


Und dann war da noch die Geschichte der jungen Mutter, die nach Strich und Faden gelogen hat. Kein Interesse an ihrem Kind, aber wegen des Kindergeldes das Mädchen bei sich haben wollen. Ewig nicht gekümmert, aber die Kleine die hat da ja Verständnis für. Das hatte sie sogar der Mama gesagt. Weil das Kind ist ja hochbegabt und redet aber nur mit der Mama volle, zusammenhängende Sätze. Mit seinem eineinhalb Jahren. Ist ja klar. Bei der Geschichte habe ich echt angst bekommen und mich gefragt wie degeneriert die deutsche Gesellschaft eigentlich sein kann. Auch hier gab es Gott sei Dank eine Lösung.


Schön war auch zu lesen, dass es nicht nur Problemfälle gibt, sondern auch bei normalen Familien unter die Arme gegriffen werden muss. So z.B. wenn die Eltern, die sich scheiden lassen sich nicht einig sind, wer das Sorgerecht bekommt oder eben, wenn der Vater sich gegen seine Kinder nicht mehr durchsetzen kann, weil er bei der Erziehung einfach nichts falsch machen möchte. Das sind dann die leichten und angenehmen Fälle, im Gegensatz zu den krassen "Bomben", die sich immer wieder im Arbeitsalltag von Frau Seeberger auftun.


Das Buch hat mir persönlich Spaß gemacht, es war interessant zu lesen, war auch vom Lesefluss her gut geschrieben und hat immer wieder humorvolle Passagen gehabt. Wenn es aber um traurige Passagen ging, dann hat Frau Seeberger den Ernst der Lage auch gut umgesetzt. Das Buch an sich ist in meinen Augen ganz stimmig. Einzig, was ich noch immer nicht so richtig verstehe ist, warum die Autorin diese Fälle veröffentlicht hat. Es ist sicher, wie bereits gesagt, interessant, aber muss man sich am Elend anderer auch noch bereichern? Das ist in meinen Augen wirklich das einzige Manko. Wer eine solche Arbeit hat, dem zolle ich meinen Respekt, aber ich denke, es wäre wohl besser gewesen diese "Akten" verschlossen zu halten. 


4 von 5 Sternen

 

ISBN: 9783426786031
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Taschenbuch
Umfang: 256 Seiten
Verlag: Knaur Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 02.12.2013

 

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